1. Die IBU-tec advanced materials AG war die erste Neuemission im Handelssegment Scale an der Frankfurter Wertpapierbörse. Welche Ratschläge würden Sie Unternehmen geben, die den Schritt an die Börse überlegen – in der Vorbereitung und nach dem Börsengang?
Der Börsengang der IBU-tec war in einen klaren strategischen Rahmen eingebettet. Zur Realisierung der beschlossenen Wachstumsstrategie musste die Finanzierungsfrage geklärt werden. In der Abwägung aller Vor-und Nachteile hat sich die Variante des Börsengangs gegenüber einer traditionellen Bankfinanzierung, einem Privat-Equity-Engagement oder aber auch Anleihemodellen letztlich durchgesetzt. Ergänzend ist zu sagen, dass ein möglicher Börsengang bereits in 2008 in Erwägung gezogen wurde, dieser aber seinerzeit aufgrund der Wirtschaftskrise nicht durchgeführt wurde. Nichtsdestotrotz wurde über die Jahre der Kontakt zu den Partnern, u.a. Blättchen & Partner und der ICF-Bank immer aufrechterhalten. Damit war es möglich, das Projekt kurzfristig nach der Grundsatzentscheidung in Angriff zu nehmen. Wichtig war uns, dass die Mehrheitsverhältnisse und die „Mitsprache“ durch die neuen Investoren nach der angestrebten Kapitalerhöhung für uns „kalkulierbar“ bleiben. Gleichzeitig wollten wir in jedem Fall eine gewisse Anzahl von strategischen Investoren für die IBU-tec begeistern. Um dieses Ziel zu erreichen haben wir den Weg einer vorgezogenen Privatplatzierung gewählt. Vor dem eigentlichen IPO haben wir eine vorgelagerte Roadshow durchgeführt und rund 250 potenzielle institutionelle Investoren in den deutschsprachigen Finanzmetropolen (in Deutschland, Österreich, der Schweiz und in Luxemburg) getroffen. Damit hatten wir vor der Erstnotierung eine Vermarktungssicherheit und neben dem im Scale vorgesehenen Retail-Vermarktungsvolumen unser Ziel, strategische Investoren an Bord zu holen, erreicht. Die Entscheidung, die Vermarktungsaktivitäten nicht auf internationale Finanzplätze (wie z.B. London) auszuweiten, war u.a. der Tatsache geschuldet, dass dies eine deutliche Verteuerung des Projektes bedeutet hätte und wir den Mehrwert für uns letztlich als nicht adäquat eingeschätzt haben. Für die strategischen, institutionellen Investoren waren neben der Equitiy-Story, dem Unternehmen und dem Geschäftsmodell an sich, dem Emissionspreis der Aktie insbesondere wichtig, dass die bisherige Eigentümerfamilie ein deutliches Signal für ein langfristiges Engagement im Unternehmen gegeben hat und dies durch entsprechende Lock-Up-Fristen dokumentierte. Positiv wurde von den Investoren ebenfalls eingeschätzt, dass wir Aktien aus einer Kapitalerhöhung angeboten haben und lediglich die Aktien für den Greenshoe aus dem Besitz der Alteigentümer kamen, was mit dem Ziel der Wachstumsfinanzierung absolut konform ging. Kritisch haben einige institutionelle Investoren die Unternehmensgröße und den erwarteten geringen Free-float nach Börsengang gesehen, was sich dann wiederum zum Teil in der Preisvorstellung gespiegelt hat. Der Scale wurde von der Deutschen Börse als Qualitätsstandard und damit als Antwort auf die negativen Erfahrungen mit dem „Neuen Markt“ konzipiert, was zur Folge hat, dass potenzielle IPO-Kandidaten sich hierfür zunächst „qualifizieren“ müssen. Die Einhaltung der Zugangsvoraussetzungen und definierten Standards wurde durch die Frankfurter Wertpapierbörse dann im Vorfeld des IPO auf Basis des Börsenprospektes geprüft. Der erste Schritt der für uns umzusetzen war, war also die Erstellung des Börsenprosekts. Ein Prozess, der für ein mittelständisches Unternehmen wie die IBU-tec doch sehr umfangreich und aufwändig war. Ein Kernteam von 3–4 Personen realisierte unter punktueller Einbindung der Verwaltungsstrukturen (Buchhaltung, Controlling usw.) letztlich das Projekt, wobei ein hohes Maß an Diskretion notwendig war und letztlich auch realisiert wurde. Vorteilhaft war an dieser Stelle, dass wir mit EY seit mehreren Jahren einen Jahresabschlussprüfer an Bord hatten, der in diesen Prozessen über hervorragende Expertise verfügt. Auch die weiteren Partner sind im Prozess sehr wichtig und waren allesamt prozesserprobt. Unserer Meinung nach sollte die IPO-begleitende Bank zur Größe des eigenen Unternehmens passen. Eine internationale Großbank erachteten wir z.B. für unseren Börsengang als nicht geeignet und sind in der Retrospektive mit der ICF Bank in Frankfurt, die sich u.a. auf kleinere IPO’s spezialisiert hat, sehr gut gefahren. Weitere Partner sind die auf dieses Rechtsgebiet spezialisierten Anwälte, die sowohl bei der Prospekterstellung als auch in der Folge beratend bei den verschiedenen „Fallstricken“ des Aktienrechts und des Wertpapierhandelsgesetzes eine wichtige Rolle spielen. Last but not least ist eine IR-Agentur sowohl Pre- als auch Post-IPO ein unerlässlicher Partner. Allein die Anzahl der Player in diesem Spiel zeigt, dass ein Börsengang durchaus eine signifikante Kostenposition darstellt, die in Abhängigkeit des Transaktionsvolumens bis zu 10% des Bruttoerlöses betragen kann und damit keine ganz günstige Finanzierungsmethode darstellt. Unbenommen dessen, hatten wir uns mit Blättchen & Partner noch einen unabhängigen Berater an Bord genommen, um die Interessenlage während des Projektes, wenn nötig ein wenig „auszubalancieren“. Insgesamt muss man sich bewusst sein, dass sowohl der Börsengang an sich, als auch das „Being-Public“, einige Themen umfasst, die zum einen zusätzliche Aufwendungen bringen, zum anderen aber auch deutliche Herausforderungen an die Organisation eines Mittelständlers stellen. Zu nennen sind hier z.B. die Qualität des internen und externen Rechnungswesens, die über die Forecast-Prozesse belastbare Zahlen erzeugen sollte. Die laufenden Berateraufwendungen für IR, für die Jahresabschlussprüfung, für Rechtsberatungen wie z.B. die Durchführung von Hauptversammlungen usw. stellen auch im laufenden Prozess deutliche, jährlich anfallende Kostenpositionen dar. Die Aktivitäten für Kurspflege wie die Teilnahme an Investorenkonferenzen, die Durchführung von Roadshows sowie die Erstellung von Corporate-News binden in einem Unternehmen unserer Größenordnung darüber hinaus signifikante Management-Kapazitäten. Kursschwankungen, die nichts mit der Performance des Unternehmens zu tun haben, müssen zumindest in Betracht gezogen und akzeptiert werden. Fazit: Die Entscheidung für einen Börsengang sollte in einem unternehmensstrategischen Kontext getroffen werden. Geeignete Partner und genügend Ressourcen sind in der Vorbereitungs- und Realisierungsphase unerlässlich. Transaktionsvolumen und Art der Vermarktung sollte wohl überlegt sein. Equity-Story, Unternehmenskennzahlen und Unternehmensziele müssen schlüssig dargestellt und „knackig“ transportiert werden. Laufende Kosten und zum Teil erforderliche Anpassungen in den administrativen Strukturen sowie die Kosten für den Börsengang an sich sind signifikant und müssen in die Entscheidung einfließen. Laufende Kurspflege ist zum Teil anstrengend und aufgrund überlagernder allgemeiner Börsentrends leider nicht immer erfolgreich.
2. Im letzten Jahr hat IBU-tec die auf Nasschemische Verfahren spezialisierte BNT Chemicals GmbH erworben. Welche Synergien bestehen mit dem bisherigen Geschäftsmodell und in welchem Maße kann IBU-tec seine Kundenbeziehungen weiter festigen?
Mit dem Erwerb der BNT Chemicals GmbH in Bitterfeld (anorganisches Wachstum) ist es IBU-tec gelungen, ein Unternehmen zu erwerben, welches neben deutlichen Erweiterungen des Produkt- und Kundenportfolios auch spürbare Synergieeffekte mit dem im Aufbau befindlichen Produktionsstandort der IBU-tec in Bitterfeld erwarten lässt. IBU-tec hat sich durch diese Akquisition neu positioniert, da das dienstleistungsbasierte Geschäftsmodell auf dem Gebiet der Forschung und Entwicklung sowie der Produktion durch eigene Produkte ergänzt wurde. Die Produkte von BNT im Bereich der organozinn-Metallverbindungen bewegen sich in einem Nischenmarkt und stehen nicht in Konkurrenz zum Dienstleistungsgeschäft von IBU-tec. Insbesondere ist durch den Erwerb der BNT Chemicals GmbH aber die Komplettierung der chemischen Wertschöpfungskette gelungen. Die bei IBU-tec angesiedelten Trocknungs- und Kalzinierungsprozesse schließen nahtlos an die nasschemischen Prozesse für die die BNT Chemicals GmbH die Kernkompetenz hat, an. Wir sind sicher den Kunden damit ein noch attraktiveres, komplettiertes Angebot bereitstellen zu können.
3. IBU-tec hat ein starkes Wachstum bei Batteriewerkstoffen. Was genau ist darunter zu verstehen und welchen Beitrag können Batteriewerkstoffe von IBU-tec für die Verbesserung der Batterien von Elektroautos noch leisten?
IBU-tec agiert am Markt als hochspezialisierter Entwicklungs- und Produktionsdienstleister der Industrie für thermische Verfahrenstechnik zur Behandlung von anorganischen Pulverwerkstoffen und Granulaten. Die Anwendungsfelder der behandelten Stoffsysteme sind dabei sehr vielschichtig. So finden sich die Pulver in Anwendungen für Automobil- oder Chemiekatalysatoren, in Produkten für die Baustoffindustrie, in Rohstoffen für die Chemische Industrie bis hin zu Life-Science-Produkten wieder. Seit einigen Jahren stellen die Batteriewerkstoffe einen weiteren wesentlichen Teil des Geschäfts dar. Eine langjährige Partnerschaft mit BASF, die zunächst als reine Entwicklungs-Kooperation gestartet war, wurde über die Jahre bis hin zur Lieferantenbeziehung für Batteriematerialien einer bestimmten Spezifikation auf- und ausgebaut. Die hier über die Jahre erworbene Expertise hat darüber hinaus dazu geführt, dass die IBU-tec als Partner für andere Player im Markt interessant wurde. Nachdem die Themen E‑Mobilität im Kontext des Dieselskandals und „Stationäre Energiespeicher“ im Zusammenhang mit dem Ausbau erneuerbarer Energien merklich an Fahrt aufgenommen haben, ist es uns gelungen, viele interessante Projekte auf diesem Gebiet zu akquirieren. Die Bandbreite reicht hier von der Produktion von Pulverwerkstoffen für stationäre Energiespeicher bis hin zu Entwicklungspartnerschaften neuerer, modernerer Batteriewerkstoffe, die das Ziel leichterer, leistungsfähigerer und damit reichweitenoptimierter Batteriezellen verfolgen. So unterschiedlich die Batteriematerialien, so breit ist die Kundenbasis in diesem Segment. Neben großen, internationalen Konzernen arbeiten wir auch mit kleineren Start-Up-Unternehmen an diesen Themen. Wichtig ist zu wissen, dass IBU-tec keine Batterien baut, sondern immer nur die notwendigen Anoden — und Kathodenpulver beisteuert. Für die Entwicklung der Prozesse und Stoffsysteme greifen die Kunden auf die langjährigen Erfahrungen der IBU-tec in der Entwicklung und Herstellung anorganischer Grundstoffe, mittels thermischer Prozesse im Temperaturbereich von 200 °C bis 1.550 °C, zurück. Die Kernkompetenzen der IBU-tec wie z. B. Laboranalytik, material- und verfahrenstechnische Prozessentwicklung und Prozessmessungen bieten den Kunden dabei ein überaus leistungsfähiges Komplettangebot, welches ihnen kompakt und in vergleichsweise kurzer Zeit das Know-how zur Herstellung der gewünschten Materialien bereitstellt.